Donnerstag, 10. Dezember 2009

Dauerregen


Morgens, 6.30 Uhr...es klopft an die Dachfenster. Du erwachst ganz langsam aus einem Nebel des Schlafes, in dem dir dieses Geräusch des Regens ganz warm und anheimelnd erschien; mit der Erkenntnis, dass Du in etwa einer Stunde das Haus verlassen musst, wird es allerdings zunehmend unfreundlicher.

Du überlegst kurz, ob Du dich vielleicht immer noch im Reich der Träume befindest und dir deine Sinne einen üblen Streich spielen. Aber je wacher Du wirst, desto sicherer bist Du dir auch, dass heute der 10. Dezember ist. In vierzehn Tagen ist Heiligabend. Draußen sollte es jetzt kalt und weiß sein, stattdessen ist es lauwarm und nass. Keine schöne Alternative.

Wenigstens ist die Dusche angenehm warm. Kein Witz: im Radio läuft gerade "It's raining again" von Supertramp. Na klar...hannoverscher Sender...bei denen vor dem Fenster regnet es auch...so grau, wie der Tag anfängt, regnet es wahrscheinlich gerade in ganz Norddeutschland, ach was sage ich...auf der ganzen Nordhalbkugel!

Du trocknest dich ab, ziehst dich an, schnappst deinen Schirm und schwupp...stehst Du auch schon mitten im dicken Regen. Oh je, die Tropfen prasseln wirklich ganz schön vom Himmel herunter und windig ist es auch. Die Straßenbahn kommt, Du steigst ein. Dein Schirm tropft alles voll, aber der Fußboden ist eh schon nass. Die Sitze auch...und das ist nicht schön. Die ältere Dame neben dir schaut dich vorwurfsvoll an, als wolle sie dir die Schuld für die nassen Sitze und das Wetter an sich geben - bis Du merkst, dass Du auf ihrer Jacke sitzt. Naja, Mädel, was machste dich auch so dick, denkst Du dir, entschuldigst dich aber brav, was die Dame allerdings auch nicht glücklicher macht.

Immer mehr Leute steigen zu, vor allem immer mehr nasse Leute. Immer mehr nasse Jacken, immer mehr nasse Schirme, immer mehr nasse Schuhe. Zigarettenrauch stinkt immer so lecker, wenn er in nassen Klamotten steckt. Es scheint etliche Raucher zu geben in der Straßenbahn... Jetzt steigt auch noch einer zu, der gestern nett gefeiert zu haben scheint...oder etwa heute morgen schon? Mensch, Junge, denkst Du, ich werd' ja von der Fahne schon besoffen, wie muß es dir gestern gegangen sein? Nein, die Kombination von altem Rauch und altem Alkohol kommen nicht gut in deiner Nase - schon gar nicht auf nüchternen Magen, denn dir fällt grad ein, dass Du noch nichts gegessen hast. Gut, denkst Du, dann ist dir wahrscheinlich nur vor Hunger schlecht.

Du schaust aus dem Fenster. Da, wo es nicht zerkratzt ist, ist es beschlagen. Aber Du siehst wenigstens, dass es immer noch regnet. Dann mußt Du aussteigen. Bis zum Arzt sind es noch 15 Minuten - zu Fuß! Da mußt Du durch! Genauso, wie durch die Riesenpfützen, die sich mittlerweile hier und da gebildet haben und teilweise kaum zu umrunden sind. Herrjeh, es ist erst 9.00 Uhr, was soll das noch werden? Die Gullis schlucken und schlürfen, aber sie haben einfach keinen Durst mehr. Auch die Autos haben die Riesenpfützen entdeckt...die Autofahrer leider teilweise noch nicht. Da mußt Du als Fußgänger schon gewaltig aufpassen, in welche Richtung Du deinen Schirm hältst. Da heißt es schon manchmal abzuwägen, von wo der stärkere Schwall kommt...

Die Praxis. Wieder tropfst Du alles voll. Bis Du den Schirmständer gefunden hast, steht die halbe Praxis unter Wasser. Eigentlich hättest Du nur der Wasserspur folgen müssen. Hinterher ist man immer schlauer...Freundliche Gesichter? Fehlanzeige! Ist allerdings fast immer so im Wartezimmer, muss nicht unbedingt am Wetter liegen. Das tröstet Dich etwas. Alles geht recht schnell und nach zwanzig Minuten bist Du schon wieder draußen...im Regen. Den ganzen Weg wieder zurück. Du merkst, wie langsam deine Schuhe nass werden. Du hättest in deine Gummistiefel steigen sollen - aber nur Kinder werden bei so einem Wetter praktisch angezogen. Dafür klettert die Nässe jetzt auch langsam von unten an deinen Hosenbeinen hoch. Du fragst dich, welche Regionen deines Körpers sie trotz des Schirmes noch erreichen wird...

Hannover versinkt in Grau und in Regen. Aber irgendwie ist alles angenehm still um Dich herum. Nur die Regentropfen auf dem Schirm sind laut - aber auch irgendwie gemütlich. Fröhlich springen die Tropfen auf der Straße herum, foppen die emsigen Scheibenwischer der Autos und versinken mit anmutigen Kreisen in den immer größer werdenden Pfützen. Autofahrer sprühen bizarre Fontänen in die Luft und Fußgänger machen die witzigsten Verrenkungen, um ihnen auszuweichen. Vermummte Fahrradfahrer bleiben in Zeitlupe in den tiefen Pfützen stecken und holen sich beim Absteigen nasse Füße. Deine Schuhsohlen quietschen bei jedem Schritt lustig vor sich hin und wenn Du etwas üben würdest, könnte daraus vielleicht sogar eine Melodie werden. Doch die Zeit hast Du nicht, denn die Strassenbahn kommt.

Die nassen Schirme haben in der vergangenen Zeit für noch mehr Wasser gesorgt. Wie gut, dass es durch die Türen immer abfließen kann. Bei dem Gedanken, in der Strassenbahn nicht ertrinken zu können, musst Du tatsächlich grinsen. Die ältere Dame, die dir gegenüber sitzt, lächelt dich an. Du lächelst zurück. Sie riecht weder nach altem Rauch noch nach Alkohol. Die Fenster der Strassenbahn sind immer noch zerkratzt und sie sind auch immer noch beschlagen, doch mit etwas Fantasie erkennst Du lustige Figuren in den beschlagenen Stellen und vor dem Aussteigen malst Du einen Smiley ans Fenster.

Die letzten Meter bis zu deiner Wohnung merkst Du den Regen kaum noch. Du schließt auf, hängst die nassen Sachen ins Bad, begrüßt deine schnurrenden Katzen und kochst dir einen Kaffee. Dann setzt Du dich auf die Couch, nippst an deinem Becher und lauschst den Regentropfen, die an deine Dachfenster klopfen. Gemütlich ist es...und warm und kuschelig. Ein Wetter zum Träumen und glücklich sein. Der Winter kann kommen...

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